Wie kann man sich die Arbeit mit Kindern in einem kunsttherapeutischen Setting vorstellen ?
Die Arbeit kann man sich auf jeden Fall sehr abwechslungsreich vorstellen. Jedes Kind bringt
seine eigene Geschichte, Persönlichkeit und individuellen Bedürfnisse mit und die
Kunsttherapie bietet so ein breites Spektrum an Möglichkeiten, darauf einzugehen.
Neben dem Malen und Zeichnen mit verschiedenen Farben (Wasserfarben, Ölkreiden,
Pastellkreiden, Buntstifte, Bleistifte, Fingerfarben,…) stehen im Atelier unterschiedliche
Materialien zum Gestalten zur Verfügung, z.B. Papiere, Collagematerial, Ton, Gips,
Speckstein, Holz, Naturmaterialien, Stoff, Wolle, Verpackungsmaterial, … . Und manchmal
gehe ich mit den Kindern auch hinaus in den Park oder die „Gstettn“ gleich ums Eck, wenn es
darum geht, aus sich heraus zu gehen, die Welt da draußen mit all ihren Sinneseindrücken
direkt wahrzunehmen.
Nach einem gemeinsamen Erstgespräch mit Eltern und Kind zum Kennenlernen und Klären
der Therapieziele und des Settings kommt das Kind in der Regel einmal wöchentlich zu mir.
Sollte das Kind anfangs noch Ängste haben, alleine bei mir zu bleiben, ist eine Anwesenheit
der Begleitperson im Atelier möglich.
Mir ist wichtig, dass das Kind genug Zeit hat, das nötige Vertrauen zu mir aufzubauen, um
sich auf den therapeutischen Prozess einlassen zu können.
Ich biete dem Kind anfangs eine Anregung zum Gestalten, die es nach seinen Vorstellungen
umsetzen kann. Es geht in der Kunsttherapie nicht um „schöne“ Bilder oder Gestaltungen,
sondern um den Ausdruck von Gefühlen und inneren Bildern. In der aufmerksamen und
achtsamen Begleitung richte ich den Blick auf die Ressourcen des Kindes und stärke es darin.
Auch begleitende Elterngespräche sind mir sehr wichtig. Ich bin keine „Reparaturwerkstatt“
für Kinder - die Eltern werden ebenso zur Reflexion ihres Verhaltens angeregt, was sich
wiederum positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung und den Familienalltag auswirkt.
Hier habe ich einige Fallbeispiele zusammengestellt, die Dir einen Einblick in meine
Arbeitsweise gewähren. https://www.magenta-maltherapie.at/kunsttherapie/fallbeispiele-
2/
"Die Kunsttherapie ermöglicht durch den nichtsprachlichen Ausdruck übers Malen und
Gestalten ein gutes Ventil und eine spielerische Art der Kommunikation".
Welche Kinder profitieren davon konkret?
Für Kinder ist der sprachliche Ausdruck von Gefühlen vor allem in belastenden Situationen
oft schwer möglich. Wir kennen ja auch als Erwachsene Situationen, wo uns sprichwörtlich
die Worte fehlen. Und genauso ist es für Kinder. Zusätzlich dazu sind Kinder oft altermäßig
oder entwicklungsmäßig noch nicht dazu in der Lage oder sie tun sich aufgrund ihrer
Persönlichkeit schwer, ihre Befindlichkeit jemand anderem sprachlich mitzuteilen.
Sie teilen ihre Befindlichkeit dann oft über die Verhaltensebene mit (z.B. ängstliches
Verhalten, aggressives Verhalten, Einnässen, Konzentrationsprobleme, …). Da braucht es
manchmal eine Art Übersetzungshilfe für die Eltern, um das Verhalten und das
zugrundeliegende Gefühl oder Bedürfnis zu verstehen und damit umzugehen.
Die Kunsttherapie ermöglicht durch den nichtsprachlichen Ausdruck übers Malen und
Gestalten ein gutes Ventil und eine spielerische Art der Kommunikation. Sie macht Gefühle
und Themen im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar und begreifbar. Und auch veränderbar,
was das Selbstwirksamkeitserleben stärkt.
Das heißt aber nicht, dass in der Kunsttherapie nicht geredet wird - ich erinnere mich an ein
Mädchen, dass bei meinem Hinweis, dass mir die Schweigepflicht ganz wichtig ist, einen
entsetzten Blick aufsetzte. Sie verband mit dem Begriff Schweigepflicht, dass sie hier nicht
reden durfte und sie redete einfach sehr gerne. Dieses Missverständnis haben wir sofort
behoben.
Wie leitest Du künstlerische Prozesse an? Wie finden Kinder in Deinem Atelier ins
künstlerische Tun? Bietest Du unterschiedliche Arbeitsmaterialien an, die frei wählbar sind
und aus denen etwas entstehen darf?
Anm: ich hab die Frage so verstanden, dass es dabei nicht um kunsttherapeutische
Prozesse geht, falls doch: (In einem kunsttherapeutischen Setting biete ich meist ein
Material an, das meiner Erfahrung nach passend ist oder das mir aktuell sinnvoll erscheint.
Vor allem bei sehr ängstlichen Kindern ist das hilfreich, da diese anfangs oft überfordert
wären, sich selbst für ein Material zu entscheiden. Ich biete durch die Vorbereitung eines
Materials oder einer Übung einen sicheren Rahmen für das Kind. Im Lauf der Zeit – das kann
durchaus ein Therapieziel sein – kann das Kind so gestärkt sein, dass es eigene Wünsche
äußern kann und dann gehe ich darauf ein.)
In offenen Kreativgruppen biete ich anregendes Material an, das ich einladend präsentiere
und der Rest ergibt sich oft von selbst. Der Aufforderungscharakter des Materials ist dann
oft so stark, dass die Kinder sehr schnell ins Tun kommen. Es gibt aber nie ein Modell im
Sinne von „So muss es am Ende ausschauen!“.
Hier ein dazupassender Blogbeitrag von mir: https://www.magenta-
maltherapie.at/2017/01/24/77-dinge-die-ich-nie-gesehen-haette/
Ich erkläre bei ungewöhnlichen Materialien oder bestimmten Werkzeugen, wie man damit
umgeht. Ich kann einem Kind ja schlecht eine Stichsäge in die Hand drücken und sagen
„Mach mal!“.
Und oft mache ich einfach mit und bin Vorbild darin, spielerisch und neugierig mit Material
umzugehen, neue Ideen zu entwickeln und Freude am Gestalten zu haben.
Wie schaffe ich zuhause eine künstlerische ansprechende Umgebung?
Ich habe ja den klaren Vorteil, dass mein Atelier quasi in der Nebenwohnung ist und meine
Tochter dieses in meinen arbeitsfreien Zeiten nutzen darf. Doch auch in ihrem Zimmer gibt
es einen Basteltisch und eine Basisausstattung an Kreativmaterial.
Um zuhause eine künstlerisch ansprechende Umgebung zu schaffen, braucht es aber nicht
gleich ein eigenes Atelier.
Hilfreich ist es, einen klar definierten Bereich dafür zu schaffen, wo die Materialien jederzeit
griffbereit sind und man nicht vorher stundenlang Esstische oder ähnliches frei räumen
muss. Auch ein sichtbares und einladendes Präsentieren der Kreativmaterialien finde ich
sinnvoll, denn es könne noch so viele tolle Farben, Stifte und sonstigen Materialien im
verschlossenen Schrank lagern, wenn sie aus den Augen sind, geraten sie oft aus dem Sinn.
Angepasst an das Alter und aktuelle Vorlieben kann man jeweils einige Materialien
auswählen, die jederzeit zur Verfügung stehen. Vielleicht ist eine Zeitlang Knetmasse, dann
Schere und Schnipselsachen, dann Farben und Pinsel,… .
Den Bereich so zu gestalten, dass nicht unbedingt das weiße Designersofa daneben steht
(Stichwort: Farbspuren ) oder ähnliche heikle Dinge, ist auch vorteilhaft. Denn ein
ständiges Aufpassen müssen, nicht zu patzen oder ungewollte Spuren zu hinterlassen,
hemmt den kreativen Prozess.
Als Schutzunterlage für den Boden finde ich übrigens Malervlies sehr praktisch, die
Oberfläche saugt und lässt durch die Beschichtung auf der Rückseite nichts durch.
Auch ein Mal-Hemd und Tuch zum Aufwischen oder Hände abwischen in Griffweite sind
hilfreich und schonen die Nerven der Eltern.
"Ich finde es sinnvoll, Materialien mit verschiedenen Eigenschaften anzubieten, z.B. flüssige
Wasserfarben, Ölpastellkreiden, mit denen man sehr kräftig aufdrücken kann, Buntstifte für
feinere Spuren, Knetmasse, Naturmaterialien, Stoffe, Wolle,.. , um die Sinne zu fördern und
ein Gefühl für verschiedene Materialeigenschaften zu ermöglichen."
Welche Arbeitsmaterialien sind ein MUSS?
Das ist gar nicht so klar zu beantworten und hängt natürlich vom Alter und den Interessen
des Kindes ab. Was für mich ein MUSS ist, dass es Arbeitsmaterialien sind, die eine gewisse
Qualität haben (das heißt nicht zwingend, dass es die teuersten Farben sein müssen). Denn
Zeichnen mit Kreiden, die wenig Leuchtkraft haben oder mit Buntstiften, die sofort
abbrechen, wenn man etwas fester aufdrückt, lassen die Freude leicht vergehen.
Lieblingsmaterialien von mir sind z.B. die Woodies von Stabilo, weil die so vielseitig
einsetzbar sind und die Ölpastellkreiden von JAXON.
Ich finde es sinnvoll, Materialien mit verschiedenen Eigenschaften anzubieten, z.B. flüssige
Wasserfarben, Ölpastellkreiden, mit denen man sehr kräftig aufdrücken kann, Buntstifte für
feinere Spuren, Knetmasse, Naturmaterialien, Stoffe, Wolle,.. , um die Sinne zu fördern und
ein Gefühl für verschiedene Materialeigenschaften zu ermöglichen.
Lieber verschiedene Materialien als nur eine 270 Farben Packung Buntstifte. Bei
Fingerfarben reichen zum Beispiel je eine Tube weiss, schwarz, gelb, rot und blau. Daraus
lassen sich alle anderen Farben mischen, was auch wieder einen Kompetenzgewinn für das
Kind bedeutet.
(Achtung: bei der Auswahl der Farben natürlich darauf achten, dass sie notfalls auch mit dem
Mund erkundet werden können, vorallem bei sehr kleinen Kindern)
Und natürlich Schere und Klebstoff (ich bin ein totaler Fan von Malerkrepp)
Und kleine „Schatzkisten“ mit allerlei kleinen Verpackungen, Eierkartons, Klopapierrollen,
Zeitungspapier, Holzresten, Muscheln, Steinen, Knöpfen, Schraubverschlüssen,…
Daraus entstehen oft die tollsten Dinge!
Kommentierst Du den Schaffensprozess der Kinder?
Ich kommentiere nie, wenn Kinder gerade sehr vertieft in ihr Tun sind.
Arbeiten Kinder ergebnisorientiert?
Prinzipiell arbeiten Kinder meist prozessorientiert. Sie haben zwar anfangs oft eine grobe
Vorstellung, was sie machen möchten, lassen aber letztlich Impulse, die während des Tuns
entstehen, zu. Das ist wunderschön zu beobachten.
Bei manchen Kindern merkt man den Einfluss nicht förderlicher Erfahrungen daheim oder in
der Schule. Die sind dann oft überfordert, wenn sie keine Vorlage haben oder kein Modell,
an dem sie sich orientieren können.
"Ich vermeide jede Form der platten Bewertung,
von Vergleichen innerhalb einer Gruppe"
Wie besprichst Du die vollendeten Arbeiten mit den Kindern? Worauf gehst Du ein? Was
lässt Du bewusst aus?
Wenn ich merke, dass ein Kind über seine Arbeit erzählen möchte, dann stehe ich für ein
Gespräch zur Verfügung. Ich lasse mir dann frei schildern, was es mir darüber sagen möchte.
Manche wollen nicht darüber reden und das ist für mich genauso in Ordnung.
Oft ergeben sich auch Gespräche während des Gestaltens. Ich bespreche oder bewerte nie
das Ergebnis im Sinne von „Das ist schön!“ oder ähnlichem.
Ich beschreibe z.B. was ich sehe. Zum Beispiel: „Oh, da sind ganz viele Farben auf dem Bild!“,
“Aha, hier sehe ich ganz viele Kreise.“
Oder ich zeige Interesse daran, wie etwas entstanden ist, z.B. wie eine Farbe gemischt
wurde.
Oder ich spiegle wider, was das Kind gerade erlebt: Wenn es zum Beispiel Unzufriedenheit
oder Frustration erlebt, weil etwas nicht so gelingt, wie es möchte, dann fasse ich das in
Worte, z.B. „Ich habe den Eindruck, dass du gerade frustriert bist, weil die Holzkugel nicht
auf dem Holzbrett hält so wie du das möchtest. Vielleicht können wir gemeinsam eine
Lösung finden?“
Oder wenn mich ein Kind übers ganze Gesicht anstrahlt, weil ihm etwas gelungen ist, dann
teile ich einfach diese Freude. Da brauche ich gar nicht loben oder herausstreichen, wie toll
die Zeichnung geworden ist, da reicht ein echtes Mitfreuen.
Ich vermeide also jede Form der platten Bewertung, von Vergleichen innerhalb einer Gruppe
(schau, der … kann das schon, obwohl er noch viel jünger ist als du) oder von
Oberlehrerinnentum (z.B. ich hab dir ja gesagt, dass da so nicht funktioniert; Ein Baum
schaut aber ganz anders aus. …).
Wie können Eltern in einen aktiven Dialog mit ihren Kindern gehen, die die Aufmerksamkeit
der Eltern nach der künstlerischen Arbeit suchen?
Durch welche Worte können das klassische „Super!“, „Schön!“ als Reaktion der Eltern auf
die Arbeit der Kinder abgelöst werden?
Im Prinzip genauso wie ich es oben beschrieben habe: frei erzählen lassen und dem Kind die
Entscheidung überlassen, was es dazu sagen möchte.
Sich einlassen auf die kindliche Betrachtungsweise und seine Darstellungsweise.
Ein wertschätzender Umgang mit den Zeichnungen oder Bastelarbeiten – das heißt, nicht
sofort in den Müll schmeißen, weil man eh nicht mehr weiß, wohin damit. Aber auch nicht
ungefragt aufhängen, manche Kinder wollen das nicht.
Bei einem hohen Kreativoutput in Form von Zeichnungen oder Basteleien kann man nach
einiger Zeit gemeinsam mit dem Kind entscheiden, welche Bilder noch aufgehoben werden,
welche verschenkt werden, …. Fotografieren lässt sich ja alles ganz einfach.
Wenn ein Kind einem eine Zeichnung unter die Nase hält, während die eigene
Aufmerksamkeit gerade auf etwas anderes gerichtet ist (z.B. man muss nach dem
Kindergarten schnell zu einem anderen Termin, man holt gerade ein heißes Blech aus dem
Backrohr oder steht auf einer Leiter…), dann kann man auch ehrlich sagen: „Ich möchte es
mir in Ruhe anschauen, kannst Du es mir nochmal zeigen, wenn ich mit XY fertig bin?“
Ein einfaches „Erzähl mir von deinem Bild“ ersetzt jede Floskel und lässt ganz viel Raum.
Und kein schlechtes Gewissen, wenn doch mal in der Eile ein „Super!“ oder „Schön!“
herausrutscht.
Auf die Frage „Was hast du heute im Kindergarten gemacht?“ gab es für Melanie nur drei Antworten: gemalt, gebastelt oder gelesen.
In einem sehr kreativen, familiären Umfeld lebend, lies sie Ihr Vater schon von klein auf in seiner Werkstatt arbeiten. Eine Leidenschaft wurde geweckt.
Melanie unterstützt Menschen, ihr kreatives Potential (wieder) zu entdecken und begleitet sie mit viel Professionalität und Gespür durch künstlerische Prozesse.
Das Zitat Kreativität ist meine Art, der Welt meine Seele zu öffnen von Brené Brown könnte von der diplomierten Psychologin, Kunst- und Gestaltungstherapeutin stammen.
Die intensive Arbeit als Kunsttherapeutin vereint all' ihre Herzensthemen aus den Bereichen der Psychologie und der Kunst.
Seit 2017 ist sie selbst Mama einer wunderbaren Tochter, mit der sie die Welt der Kreativität, des Spielens und Staunens nochmal aus einer anderen Perspektive entdecken darf.